Bis zum bitteren Ende – EIE vergibt Matchpuck in desolaten 106 Sekunden

Der EHC Illnau-Effretikon (EIE) verlor nach Donnerstag (2:3 über die Verlängerung) nun zum zweiten Mal in St. Moritz. Die Zürcher Oberländer konnten ihren ersten Matchpuck nicht verwerten und stolperten gegen Ende Startdrittel. Innerhalb von 106 Sekunden kassierte die Mannschaft von Dieter Wieser einen 0:3 Rückstand. Dann rappelte sich der EIE im Mitteldrittel nochmals auf, erzielte nach Michael Sommer (25.) und dem zwischenzeitlichen 1:4 durch Steven Schmid per Shorthander das 2:4, später im Schlussdrittel durch Marco Vögeli noch den Anschluss (50.). St. Moritz traf durch Gianni Donati 26 Sekunden vor Schluss ins leere Tor zum 5:3 (3:0, 1:2, 1:1) Endstand der Engadiner

 

Bericht: Heinz Minder, St. Moritz

Man kann es auslegen wie man will. Die einen wollten und konnten nicht, die anderen mussten unter allen Umständen. Verlieren und Sterben. Nein das gab es für die Spieler des EHC St. Moritz nicht. Ehrensache. Samstags bezogen sie in Effretikon die zweite Niederlage im Eselriet. Dass sie klar besser und stärker waren als es das 0:4 Resultat vermuten liess, dafür wollten sie kämpfen. Für die Rehabilitation vor heimischer Kulisse war jeder einzelne Spieler bereit, sein Hemd zu opfern. Dass den Platzherren im Falle eines Heimsieges Donnerstag erneut eine weite Reise ins Zürcher Oberland bevorstand – Nebensache. Eishockey in St. Moritz – Ehrensache. Da nimmt man gerne weite Fahrten in Kauf. Diesbezüglich sind die Engadiner Weltmeister die Zweitliga, müssen sie doch praktisch alle zwei Wochen ins Unterland.

Beim letzten Auftritt im Abschluss gesündigt

Und der EIE? Da zeigte man sich zuversichtlich und sah dem Treffen auf der Ludains durchwegs positiv entgegen. Das letzte Auswärtsspiel war aus der Optik der EIE-Spieler nur deshalb so unglücklich verloren gegangen, weil man während drei Drittels generöser Art im Offensivbereich sündigte und dafür dann in der allerdings sehr kurzen Verlängerung von lediglich 43 Sekunden die Quittung erhielt. Diese Scharte wollte man auswetzen und den ersten Matchpuck verwerten um donnerstags endlich mal wieder einen freien Abend ohne Pflichteinsatz geniessen zu können.

Leicht veränderte EIE-Formation

Erstens kommt es anders und zweiten als man denkt. Gegenüber der letzten Partie zwischen den beiden Vereinen gab es auf Seiten des EIE leichte Korrekturen im Team. Gabriel Gretler war nach seiner zweiten Spieldauer-Disziplinarstrafe gesperrt. Donati, der sich im Eselriet mit dem EIE-Allrounder einen handfesten Boxkampf lieferte, konnte allerdings bei den Bündnern mitmachen und schlenzte am Schluss die Scheibe über das ganze Feld rechts tief am Pfosten vorbei zum 5:3 Endstand. Beim EIE fehlten zudem Carlo Fäh, beruflich, dazu die beiden verletzten Yannick Schlatter und Yves Förderreuther, sowie Andrea Giacomelli (Junioren). Dafür erstmals in der Playoff-Serie mit dabei, der zuletzt von den Junioren-Einsätzen her gesperrt gewesene Gabriel Schneider, sowie Tizian Müller, der samstags krankheitsbedingt fehlte.

Aggressive Bündner

St. Moritz begann aggressiv und prüfte Volkart mit leichten Schüssen. Vorerst absolut keine Probleme für den EIE-Keeper, der in den ersten zehn Minuten eingeschossen wurde. Auf Seiten der Gäste kam Michael Sommer zu zwei höchst erfolgsversprechenden Möglichkeiten. Erst, herrlich mittels Diagonalvorlage über die linke Seite, tauchte der EIE-Captain vor Daniel Mathis auf, konnte den St. Moritzer-Keeper aber nicht überlisten (4.). Dann gab es den ersten Ausschluss in der höchst umstrittenen und kämpferisch untermalten Partie. Bei Ausschluss von Deininger funktionierte das EIE-Powerplay wieder nicht. Noch immer keine Besserung. Der Wunsch von EIE-Trainer Dieter Wieser, noch in den Gruppenspielen geäussert und bestätigt, dass „das Überzahlspiel momentan nicht unsere Stärke ist“, bestätigte sich. Und Wieser-Zuversicht, dass „vielleicht in den Playoff-Partien diesbezüglich der Knopf in unseren Reihen aufgeht“, traf ebenfalls nicht ein. Illnau-Effretikon, vom aufsässig drückenden Heimklub attackiert, vermochte sich nicht im Drittel der Einheimischen fest zu nagen. Folglich gab es für Mathis auch keinen Versuch zu wehren. Und weil der EIE scheinbar das Powerplay nicht kann, bekam er gleich noch eine zweite Chance. Ausschluss des Novizen Men Camichel wegen Behinderung (13.). Nicht Neues, dafür ein gefährlicher Konter von Silas Gerber, der Volkart zur Glanzparade zwang.

Zu viel Platz für Heimteam

Zwei Chancen vertan. Und wer solche Offerten in einem entscheidenden Match noch dazu vergibt und nicht nutzt, der wird bestraft. Ausschluss Brasser. Nun witterten die Bündner ihre grosse Möglichkeit und warfen die Aggressivität voll und ganz in das Überzahlspiel. Mit Erfolg. Marco Brenna (Vorlage Harrison Koch und Gianni Donati) vollstreckte (17.). Nun tobte das Publikum und St. Moritz wirkte angestachelt und kampfbereit für die noch verbleibenden Minuten. Auf der anderen Seite wirkte der EIE, der dem Gegner im Startdrittel in vielen Szenen viel zu viel Freiraum und Platz liess, leicht geschockt und konsterniert. Innerlich hinterfragte man wohl, warum denn ausgerechnet jetzt die von Trainer Wieser immer wieder gelobte Defensive nicht klappte. „Unser Boxplay ist stark“, so der EIE-Headcoach in den bisherigen Partien, wo die Zürcher Oberländer zahlreichte Ausschlüsse zu überstehen hatten.

Drei Tore in schneller Folge als Todesstoss

Während der EIE noch mit dem vermeidbaren 0:1 Rückstand haderte, der Doppelschlag. Das nun völlig entfesselt und furios wirkende St. Moritz reüssierte nur eine halbe Minute nach dem 1:0 durch Christian Litscher zum Zweitore-Vorsprung. Der Tiefschlag sass. Auch Wieser wirkte geschockt und überlegte wohl, ein frühes Time-out (schon nach 18 Minuten? zu nehmen). Kaum war wieder angespielt, leuchtete die Lampe hinter Volkart erneut. Sandro Lenz hatte in der desolaten EIE-Phase bereits wieder getroffen. 0:3 lag der EIE zurück und musste in der ersten Drittelspause intern in der Garderobe einiges, ja viele hinterfragen. Was war nur falsch gelaufen? Warum hatte man dem Heimklub so viel Platz und Zeit gelassen?

EIE-Reaktion im Mitteldrittel

Die Reaktion kam erwartungsgemäss im zweiten Drittel, welches allerdings von vielen Strafen gekennzeichnet und verpfiffen wurde. Hier fanden die Schiedsrichter plötzlich ihre Linie nicht mehr und Pfiffen kleinlich, teils aber auch klare Fouls nicht. Viele St. Moritzer mussten raus, der EIE-konnte kein Kapital schlagen. Vorerst gelang dem EIE, der mit Anfangs Mitteldrittel bemüht war, eine schnelle Resultatkorrektur zu schaffen, das noch nicht. Dann aber ein schneller Spielzug über die linke Seite. Pass von Thomas Korsch in die Mitte. Dort fackelte diesmal Michael Sommer nicht lange. 3:1 (25.). Nun hatte Illnau-Effretikon plötzlich Oberwasser und drängte auf den Anschluss. Die kalte Dusch folgte postwendend – Luca Roffler erhöhte zum 4:1. St. Moritz führte wieder mit drei Toren Differenz. Als das führende Team durch Jan Heuberger und Elio Tempini während 51 Sekunden zwei Spieler auf der Strafbank hatte, versuchte der EIE mit der Brechstangentaktik zum Erfolg zu kommen. Die EIE-Aufholjagd war lanciert. Nun musste St. Moritz erkennen, dass der EIE zu einer Reaktion fähig war. Thomas Korsch, der sich beim ersten Tor einen Assistpunkt gutschreiben konnte, wurde dann wieder auf dem Matchblatt aufgeführt. Diesmal allerdings auf der Seite der Strafen. Ausschluss wegen Beinstellens (31.).

Nevenflattern bei St. Moritz

Kaum hatte der EIE-Topskorer unter der Zuschauertribüne Platz genommen, demonstrierte Steven Schmid einen Sololauf und vollstreckte mittels Shorthander zum 2:4 – just nach Hälfte des Spieles (32.). Nun flatterten die Nerven der Platzherren. Coach Adrian Gantenbein sah sich gezwungen, sein frühes Time-out zu nehmen (33:37). Es folgten weitere Strafen, teils als Kompensationen. Während Jan Heuberger zwei plus zwei Minuten kassierte, pflückten sich die Unparteiischen aber auch Steven Schmid (37.).

Vergebliche Hoffnungen

Im Schlussdrittel ein wieder verändertes Spiel, weiterhin als offener Schlagabtausch und der Frage, ob die Einheimischen das Tempo durch ziehen könnten. Die Schiedsrichter waren nun wieder ganz anderer Meinung und liessen jetzt praktisch alles laufen, so auch einige zweifelhafte Rencounter. Bolli versuchte gleich anfangs Schlussdrittel aus der Drehung heraus zum Erfolg zu kommen. Sommer und Vögeli verpassten (41.). Der Countdown lief – die Zeit im Engadin lief gegen den EIE und zwar schnell. Nun waren die EIE-Spieler mit totalen Einsatz dabei und ärgerten sich wohl, dass sie mit den desolaten zwei Minuten praktisch alles verspielt hatten. Herrlich über die rechte Seite stürmte Thomas Korsch, pass zum EIE-Captain Sommer, welcher hinter dem Tor von Mathis lauerte. Zuspiel vor das Tor, wo Vögeli anbrauste und vollsteckte. Der EIE hatte das 2:4 erzielt, genau zehn Minuten vor Schluss.

Einsatz beider Teams bis zuletzt

Beide Mannschaften mobilisierten nochmals ihre letzten Kräfte. Der EIE kam durch Sommer noch zur einigen Möglichkeiten. Am Schluss nahm Wieser sein Time-out (58:24) und 36 Sekunden vor der letzten Sirene ging Volkert vorzeitig und für einen weiteren Feldspieler vom Eis. Zehn Sekunden später spedierte Donati, der schon beim letzten Mal die Entscheidung in der Verlängerung herbeigeführt hatte, ins leere Tor. 5:3 für St. Moritz, das aber gemessen am unbändigen Einsatz und dem Willen, den ersten EIE-Matchpuck abwenden zu können, dieses Spiel nicht unverdient gewonnen hat. Illnau-Effretikon hat sich im ersten Drittel selbst das Bein gestellt und muss jetzt donnerstags, statt einen freien Abend geniessen zu können, nochmals in die Hosen.

Meisterschaft 2. Liga/Ostschweiz: Playoff-Achtelfinal – 4. Runde: St. Moritz – Illnau-Effretikon 5:3 (3:0, 1:2, 1:1).- Kunsteisbahn Ludains (St. Moritz).- 288 Zuschauer.- Schiedsrichter: Amir Baum/Armando Lamers.- Tore: 17. Brenna (Donati/Koch, Ausschluss Brasser) 1:0. 18.  Litscher (Biert/Lenz) 2:0. 19. Lenz (Biert) 3:0. 25. Sommer (Korsch) 3:1. 29. Luca Roffler 4:1. 32. Schmid (eigener Ausschluss Korsch!) 4:2. 50. Vögeli (Sommer/Korsch) 4:3. 59:34 Donati (Koch/Brenna, ins leere Tor) 5:3.- St. Moritz: Mathis (Lony); Gerber, Wolf; Brenna, Tempini; Men Camichel, Biert; Heinz, Deininger, Donati; Marco Roffler, Koch, Marc Camichel; Altofer, Litscher, Lenz; Jan Heuberger.- Illnau-Effretikon: Volkart (Lüscher); Nicola Gretler, Brockhage; Schneider, Grolimund; Brasser, Schmid; Grösser, Andersen, Kuhn; Sommer, Korsch, Muspach; Vögeli, Bolli, Wieser; Müller.- Strafen: St. Moritz 9-mal 2-Minuten; Illnau-Effretikon 5-mal 2 Minuten.- Bemerkungen: Illnau-Effretikon ohne Schlatter und Förderreuther (beide verletzt), Fäh (Beruf), Giacomelli (Junioren), Gabriel Gretler (gesperrt).- 33:37 Time-out St. Moritz; 58:42 Time-out Illnau-Effretikion; EIE ab 59:14 ohne Torhüter Volkart, dafür mit weiterem/sechsten Feldspieler; 59:34 5:3 ins leere Tor durch Donati.- Fünftes und alles entscheidendes Spiel am kommenden Donnerstag, 18. Februar 2016, Eishalle Eselriet (Effretikon, 20:15 Uhr).

 

 

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