EIE gewinnt typische Tessiner-Kampfpartie 6:4

Acht Fäuste und ein Halleluja und drei wichtige Auswärtspunkte

Typisch Tessin. Typisch Chiasso. Obwohl es weder eine Verlängerung noch ein Penaltyschiessen gab avancierte die Auswärtspartie des EHC Illnau-Effretikon (EIE) in Chiasso zum bislang längsten Spiel. Viele Strafen, viele Unterbrechungen, noch mehr Körpereinsatz und Handgreiflichkeiten – die Zürcher Oberländer entschieden eine typische Tessiner-Kampfpartie am Ende verdientermassen mit 6:4 (1:1, 3:2, 2:1) für sich.

Bericht: Heinz Minder, Illnau

Nein. Die Hockey-Ästheten mussten sich nach zwei einhalb Stunden Kampfhockey die Nase rümpfen. Vom spielerischen Gehalt bot das Spiel zwischen Chiasso und Illnau-Effretikon wenig Höhepunkte. Das lag vor allem an den Tessinern. Sie kämpfen mit Küsnacht und Ascona, die beide auch in der 14. Runde unter dem Strich der Tabelle verblieben (je acht Punkte) um den Einzug in die Playoff-Runde. Chiasso hat seit der 1:6 Vorrunden-Niederlage gegen den EIE im Eselriet nun sage und schreibe zehn Mal in Serie verloren. Der letzte Punktegewinn der Tessiner datiert vom 22. Oktober vergangenen Jahres in Luzern (3:4 über Verlängerung). Die lange Dauer der Erfolgslosigkeit zerrt offensichtlich am (schwachen) Nervenkostüm der Südschweizer.

Chiasso seit 22. Oktober 2016 erfolglos

Wie man gegen den EIE zu wichtigen und dringend notwendigen Punkten kommen wollte, dazu war dem Heimklub am Ende jedes Mittel Recht. Mit aggressivem Körpereinsatz und südländischem Temperament versuchten die Tessiner Illnau-Effretikon aus dem Konzept zu bringen. Dass die endlos scheinende Partie kurz vor Schluss – es waren noch 91 Sekunden zu spielen – noch eskalierte und nebst einer Match-Strafe für Gabriel Gretler drei Spieldauer-Disziplinar-Strafen für Marco Vögeli (EIE) und Vasile Santini/Andrea Gaeta brachte – war absehbar wie vieles. 

Viele Nebensächlichkeiten

Wieder einmal prägten viele Nebensächlichkeiten ein Spiel, das darum noch verspätet angepfiffen werden konnte, weil im Verteidigungsdrittel des EHC Illnau-Effretikon ein Loch im Eis war, das der Eismeister erst zupflastern musste. Mit verstärktem Körpereinsatz versuchte Chiasso sich von Anfang an vor lediglich 43 Zuschauern Respekt zu verschaffen. Die aufsässige, aggressive körperbetonte Gangart behagte dem EIE nicht. Die Zürcher bekundeten wir vor einer Woche auswärts in Küsnacht (0:2 Rückstand),  Mühe, den eigenen Rhythmus zu finden und sich auf den äusserst unbequemen Gastgeber ein zu stellen.

Ein endlos scheinender Winterabend…

Dass die Auswärtspartie am südlichsten Zipfel der Schweiz über 150 Minuten (ohne Verlängerung/Penaltyschiessen) dauerte, und absolut kein schönes Spiel mit vielen guten und schnellen Kombinationen bot, war auch den beiden Schiedsrichtern zuzuschreiben. Rafik Solimann/Beat Matti verzögerten bei jedem Bully den Scheibeneinwurf endlos. Man hatte schon das Gefühl, der Puck sei jedes Mal beim Unparteiischen an den Fingern eingefroren. Hinzu kamen viele Unterbrüche wegen Strafen. Die Zweikämpfe Mann gegen Mann wurden knall hart und unerbitterlich ausgetragen und beinhalteten viel Zündstoff.

…fliegende Fäuste

Acht Fäuste für ein Halleluja – am Ende, 91 Sekunden vor Spielschluss, eskalierte die Stimmung im gedeckten Rund, so wie man es eigentlich erwarten konnte – so. wie es eben von der Affiche und letztlich dem Spielstand absehbar war. Als Vasile Santini den Gegenspieler bei dessen fliegender Auswechslung mit Vorsatz „abspitzen“ wollte, kam es zur Schlägerei. Handschuhe weg - Gabriel Gretler und Santini liessen die Fäuste sprechen. Dass der Tessiner, der alles ausgelöst hatte, in diesem Handgemenge sein Gesichts-Piercing (Nasenring/wohl eher unkorrekte Spielerausrüstung!) verlor und dabei eine blutende Nase kassierte, versetzte Santini mächtig in Range. Wie Gretler der eine Match-Strafe erhielt, konnte Santini vorzeitig unter die Dusche (Spieldauer-Disziplinarstrafe) und zertrümmerte ausserhalb des Spielfeldes seinen Stock. Gleichzeitig gerieten sich Marco Vögeli und Andrea Gaeta in die Haare. Auch sie liessen die Fäuste sprechen. Beide konnten Gretler und Santini unter die Dusche folgen.

Gereizte Stimmung

Die Stimmung in der offenen Halle war von Anfang an mehr als gereizt. Ach ja. Hockey wurde eigentlich auch noch gespielt. Die weiteren wichtigsten Facts: Bei Illnau-Effretikon fehlten die Langzeitverletzten. Einzig Carlo Fäh gab nach seiner Knieverletzung, erlitten im Auswärtsspiel in Bellinzona (26. November 2016) sein erfolgreiches Comeback, erzielte er doch mit seinem zehnten Saisontreffer gleich den 6:4 Endstand (47.). Dafür fehlte beim EIE kurzfristig Michael Bolli (Krank). Zum besten Spieler der Zürcher Oberländer wurde verdientermassen Yves Förderreuther gewählt. Er erhielt nach Spielschluss nicht erwartungsgemäss einen echten Tessiner-Salami, nein, sondern eine Swach-Uhr. Dem Center der dritten EIE-Linie glückten zwei sensationelle Treffer, zum 1:0 Führungstreffer (5.) und wichtigen 3:3 Ausgleich (35.). Tore, wie sie eben nur „Födi“ erzielen kann.

Körperlich viel einstecken müssen

„Meine Spieler haben heute wieder einen guten Job gemacht“, lobte Dieter Wieser nach gewonnener Schlacht. „Wir sind einigermassen ruhig geblieben. Dass die Sache am Ende noch eskalierte, ist für mich die logische Folge dessen, wenn man drei Drittel lang körperlich so vieles einstecken muss. Das, die vielen ungeahndeten Foulspiele und hohen Stöcke, war schlicht schlimm“. Der EIE-Headcoach bestätigte, absolut kein schönes Spiel gesehen zu haben. „Wir mussten schauen, dass wir nicht jedes Mal einen Zweier kassieren. Wenn die Schiedsrichter noch mehr gepfiffen hätten, hätten wir wohl den ganzen Match hindurch nur Drei gegen Drei spielen können“.

EIE Stürmer grobfahrlässig

Zum mühevollen Auftakt seiner Truppe, die zwar dank Yves Förderreuther (Vorlage Dario Högger) nach knappen fünf Minuten führte, dann den schnellen Ausgleich kassieren musste (6.), durch Michael Sommer in Zusammenarbeit mit Markus Cristelotti und Thomas Korsch abermals (2:1) führte, bemerkte Wieser weiter: „Wir haben am Anfang viele Chancen vergeben. Das rächte sich am Ende fast“. Der EIE-Trainer, der bereits vor Wochenfrist nach dem Sieg in Küsnacht sagte, „wir müssen jetzt wieder verstärkt an unserer Offensive arbeiten und unsere Stürmer aufbauen“, bestätigte in Chiasso, dass „meine Stürmer heute fast grobfahrlässig mit ihren Möglichkeiten umgegangen sind“.

Raimondi soll es richten

Bei Chiasso war alles auf Edoardo Raimondi ausgerichtet. Er zog die Fäden. Er lancierte das Spiel des Heimklubs. Er vollstreckte und riss seine Leute mit. Mit seinem nunmehr 14. Saisontreffer gleich er zum 2:2 aus (25.). Während 86 Sekunden konnte zuvor der EIE bei Ausschlüssen der beiden Verteidiger Mattia Tamborini und Mauro Grisi eine doppelte Überzahl spielen. Logisch, dass Raimondi während dieser Zeit konstant im Einsatz stand. Der EIE blieb erfolglos in dieser wichtigen Phase.

Bei Spielhälfte ist Schlacht lanciert

Kurz darauf verstärkten die Tessiner ihren ohne hin schon hohen Körpereinsatz und brachten zusätzliche Härte in Spiel. Als EIE-Verteidiger Michael Hild, bei Spielhälfte hart attackieret wurde, war dies der Auftakt zur Schlacht. Gabriel Gretler kassierte für einen Check gegen den Kopf des Gegners einen Zweier (plus Zehn-Minuten Disziplinar). Zuvor war bereits Thomas Korsch auf die Strafbank geschickt worden. Nun kam Chiasso während 42 Sekunden zu einem 5:3 Überzahlspiel – ebenfalls ohne Erfolg.

Raimondi mit Leistenverletzung angeschlagen

Allerdings erlitt dann Chiassos-Leaderfigur Raimondi eine Leistenverletzung und fiel für den Rest des zweiten Drittels aus. Raimondi humpelte in die Garderobe, wollte sein in Nöten liegendes Team (neun Niederlagen in Folge) nicht im Stich lassen und schaffte zu Beginn des Schlussdrittels den umstrittenen 4:4 Ausgleich, nachdem Pisottu die Tessiner nach 35 Minuten erstmals in Führung schossen, Förderreuther aber mit seinem zweiten Treffer den wichtigen 3:3 Einstand noch vor Ende des Mitteldrittels realisierte. Raimondis 4:4 (Powerplay/Ausschluss Yves Brasser) war irregulär, weil das EIE-Tor klar verschoben war, die Zürcher Oberländer vergeblich einen Spielunterbruch reklamierten und dann erzürnt einen Spielfeldprotest hinterlegten (41:57).

Keine Spielberuhigung

Dieses 4:4 führte logischerweise nicht zur Spielberuhigung. Im Gegenteil. Die Emotionen wurden praktisch mit jedem Spielzug hochgeschaukelt. Man ahnte was kommen würde. Die Stimmung war wie in einem Pulverfass. Illnau-Effretikon behielt die Nerven und antwortete eiskalt auf den irregulären Ausgleich. Thomas Korsch vollstreckte im Powerplay (Ausschluss Andrea Gaeta) das Zuspiel von Michael Heid und Michael Sommer zur dritten (5:4)-Führung des EHC Illnau-Effretikon (44.). Und bei Ausschluss von Andrea Realini traf dann auch noch Carlo Fäh bei seinem Comeback (Vorlage Nicola Gretler) zum 6:4 (47.).

Mätzchen bis zum Schluss

Chiasso versuchte mit allen Mätzchen, das Spiel und die Punkte doch noch retten zu können. Zwischenzeitlich wurde die Matchuhr während 40 Sekunden angehalten (52:49). Und es kam, wie es eben nach dem Zweitore-Rückstand der Tessiner kommen musste. Deren Nerven lagen am Schluss blank. Raimondi war angeschlagen und konnte den Karren auch nicht mehr alleine aus dem Dreck ziehen. Dann eskalierte die Stimmung wie erwähnt 91 Sekunden vor Spielschluss. Chiasso versuchte nach einem Time-out (57:57) noch kurz ohne Torhüter das Unmögliche doch noch möglich zu machen. Vergeblich. Die restliche Kraft verpufften die Tessiner in Zweikämpfen und fliegenden Fäusten. Das „Spiel“ endete eben typisch wie oftmals ein Hockeymatch im Tessin. Schade. Doch man weiss es ja.

Meisterschaft 2. Liga, Gruppe 1: Chiasso – Illnau-Effretikon 4:6 (1:1, 2:3, 1:2).- Stadio del ghiaccio (Chiasso).- 43 Zuschauer.- SR: Rafik Solimann/Beat Mattli.- Tore: 5. Förderreuther (Högger) 0:1. 6. Aletti (Consoli) 1:1. 21. Sommer (Cristelotti/Korsch) 1:2. 26. Raimondi (Borsani) 2:2. 35. Pisottu (Tamborini) 3:2. 35. Förderreuther (Fäh) 3:3. 39. Vögeli (Grösser/Andersen) 3:4. 42. Raimondi (Consoli, Ausschluss Brasser) 4:4. 44. Korsch (Heid/Sommer, Ausschluss Gaeta) 4:5. 47. Fäh (Nicola Gretler, Ausschluss Realini) 4:6.- Chiasso: Zanini (Restoni); Grissi, Andrea Realini; Battistini, Raguso; Brugnetti, Tamborini; Gaffuri; Raimondi, D’Agostino, Santini; Gaeta, Aletti, Patrick Realini; Pisottu, Borsani, Consli; Sarzi-Puttini, Visconti.- Illnau-Effretikon: Volkart (Stücheli); Christoph Weinhart, Brockhage; Gabriel Gretler, Brasser; Heid, Nicola Gretler; Giacomelli; Sommer, Korsch, Cristelotti; Vögeli, Andersen, Grösser; Högger, Förderreuther, Fäh.- Strafen: Chiasso 7-Mal Zwei Minuten, plus 1-Mal Zehn Minuten Pisottu (unsportliches Verhalten), plus 2- Mal Spieldauer-Disziplinarstrafen für Santini und Gaeta (übertriebene Härte); Illnau-Effretikon 7-Mal Zwei Minuten, plus 2-Mal Zehn Minuten Brasser (Check gegen den Kopf) und Gabriel Gretler (Check von hinten), plus Matchstrafe (Grabiel Gretler, übertriebene Härte), plus Spieldauer-Disziplinarstrafe Vögeli (übertriebene Härte). Bemerkungen: 41:57 4:4 bei verschobenen Tor – EIE hinterlegt Spielfeldprotest – bestätigt diesen nachher nicht.- 52:49: Matchuhr während Spiel für über 40 Sekunden angehalten.- 57:57 Time-out Chiasso, ab diesem Zeitpunkt ohne Torhüter bis 58:07 und ab 58:24 wieder ohne Torhüter.- Match dauert zweieinhalb Stunden.- Spiel beginnt mit Verspätung, da ein Eisdefekt vor Spielbeginn geflickt werden muss. Illnau-Effretikon ohne Diego Muspach und Ramon Winterberg (beide verletzt), Lorenz Kuhn und Justin Wieser (ebenfalls verletzt/vorzeitiges Saisonende), Michael Bolli (krank).- Comeback von Carlo Fäh nach verletzungsbedingtem Ausscheiden im Auswärtsspiel vom 26. November in Bellinzona (4:0 EIE-Sieg).- Doppeltorschütze Yves Förderreuther nach Spiel zum besten EIE-Spieler gewählt und mit Swach-Uhr belohnt.

 

 

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