Spitzenkampf knapp verloren – an Erfahrung gewonnen

Das war beste Werbung für Zweitliga-Spitzenhockey. Dürnten Vikings und Illnau-Effretikon, die zwei erstrangierten Spitzenteams der Gruppe 1 lieferten sich samstags vor 310 begeisterten Zuschauern in Bäretswil ein packendes, hochklassiges und ungemein spannendes Zürcher Oberlandderby. Letztlich hatte der zweifache heimische Meister dank seines Zwischenspurts im Mitteldrittel (3:0) am Ende das glücklichere Ende für sich. Dürnten Vikings schlug Illnau-Effretikon 3:2 (0:1, 3:0, 0:1).

 

Bericht: Heinz Minder, Bäretswil

Was will man eigentlich mehr? Gut. Ob jetzt Schlusslicht Küsnacht, oder Dürnten, der zweifache und amtierende Meister, oder wie bereits am nächsten Samstag dann mit Heimvorteil gegen das unbequeme Ascona (hat Luzern mit 6:2 auf die Heimreise geschickt und damit die Innerschweizer um den Einzug unter die ersten Vier etwas zurück gebunden). Dieter Wieser sagte es vor dem Spiel unmissverständlich: „Eigentlich wollen wir jeden Match gewinnen“. Und Andy Flemming, Dürntens aktueller Assistenz-Trainer und Zürcher Oberländer Urgestein meinte: „Was ich mir eigentlich wünsche wäre ein Zweitliga-Playoff-Final zwischen Dürnten und dem EIE – und dies über fünf volle Spiele“. Die Einschätzung, seine Mannschaft sei heute sicher der grosse Favorit (hat das Vorrunden-Spiel in Effretikon am 5. November 2016 mit 5:0 gewonnen) und eigentliche Zweitliga-Überflieger, nahm Flemming mit Abstrichen an.

Flemming wünscht sich Playoff-Final Dürnten – EIE

Flemming, der einst als Nachwuchsspieler aus dem EHC Wetzikon hervor ging und 1984/85 auch bei Wetzikon in der Nationalliga-B spielte, dementierte eisern, diesen offenen Job bei seinem einstigen Stammverein zu übernehmen. Flemming, der auch Headcoach in Herisau (1994/95) und in der DEL bei den Adler Mannheim und zwischen 2001 bis 2004 Ausbildungschef beim HC Davos war: „Es wäre sicher mal interessant zu sehen, wie sich Dürnten in der Erstliga schlagen würde“, doch dazu wird es nicht kommen, denn der Meister hat sich wie der EIE entschieden, sich nicht am neuen Projekt der Swiss Regio League zu beteiligen. Diese war in Bäretswil wieder einmal unter den Fachleuten der grosse Diskussionspunkt. Viele räumen der Umstrukturierung der Ligen wenig positive Aspekte zu und glauben nur an eine aufgezwungene Kurzlebigkeit.

Wiesers (zu)frühe Gratulation

Da war dann die Aussage von Dieter Wieser, unmittelbar nach dem Spiel. Zum Zeitpunkt, als seine Spieler schon etwas mit hängenden Köpfen sich für das Duschen bereit machten und Wiesers-Staff das Material für die Heimreise zusammen suchten. „Ich habe in der ersten Drittelspause meiner Truppe gratuliert. Ich war, wie vermutlich viele der Zuschauer, begeistert vom Auftritt meiner Mannschaft. Vielleicht mein Fehler, mein Team so früh zu loben“, so der EIE-Headcoach. Doch Wieser hatte es richtig gesehen. Illnau-Effretikon spielte im ersten Abschnitt überlegen, erarbeitete sich Chance um Chance, zeigte sich angriffslustig, war sichtlich sehr offensiv eingestellt und überraschte mit kräfteraubendem Forechecking den Heimklub. Die 1:0 Drittelsführung durch EIE-Captain Thomas Korsch (4.) im Powerplay war hoch verdient, man Ende nach den ersten zwanzig Minuten fiel zu knapp und hätte mindestens um den einen oder anderen Treffer höher ausfallen müssen.

Gastgeber überrascht

Mit dem Auftritt im Startdrittel überraschte der EIE Dürnten, welches keinesfalls mit einem so kämpferisch hervorragenden und druckvollen Gegner gerechnet hatte. Dem EIE eröffneten sich früh durch Michael Sommer, dann dem Duo Michael Grösser/Michael Bolli klare Möglichkeiten zum frühen 1:0. Als der Heimklub mit Lukas Fankhauser den ersten Zweier eines hochklassigen Derbys kassierte, reüssierte Illnau-Effretikon. Im ersten Überzahlspiel vollstreckte Thomas Korsch das Zuspiel von Markus Cristelotti. Und der EIE blieb dran und hatte nachfolgend mehrfach den zweiten Treffer auf der Schaufel. So wiederum Grösser, dann Bolli, dem sich links plötzlich das halbe gegnerische Feld öffnete. Doch allesamt scheiterten sie an Lorenzo Illien. „Wir haben heute Dürntens Keeper ein- und warmgeschossen. Illien wurde dank uns immer stärker, immer sicherer“. Und man konnte im ersten Durchgang die ganze EIE-Mannschaft aufzählen. Alle hatten ihre Torchancen – alle scheiterten aber mit der Realisierung des Zweitore-Vorsprunges. Sommer (11.), Nicola Gretler (sein Bruder ist wegen der Rauferei im letzten Match in Chiasso vorerst für zwei Partien gesperrt worden), Korsch, Högger/Förderreuther, sie alle schafften bis zur 14. Minute diesen zweiten Treffer nicht. Auch Cristelotti nicht, der seinen aufsässigen Gegenspieler Loris Voneschen abschüttelte, aber wie all seine Vorgänger vor Illien scheiterte (15.).

EIE vergibt viele Torchancen

Und dann kassierte Illnau-Effretikon knappe fünf Minuten vor Ende des Auftaktfestivals einen Doppelausschluss, welcher logischerweise den druckvollen EIE etwas einstoppte. Erst musste Yves Brasser wegen Hakens raus, dann 17 Sekunden später auch Carlo Fäh. So konnte Dürnten erstmals in diesem Derby während 104 Sekunden ein doppeltes Überzahl praktizieren. Doch beim Leader schlichen sich weiterhin viele kleine Fehler ein. Schier unerklärbare Scheibenverluste, Fehlpässe, oder einfach schlecht platzierte Schüsse. Abgesehen natürlich von Dennis Volkart, der ebenfalls stark aufspielte. Überhaupt dominierten in diesem Spitzenkampf die beiden Torhüter. Dürntens Assistenz-Trainer Andy Flemming: „Dennis spielte für mich überraschend stark auf. Selten so gut habe ich ihn spielen sehen. Er hat einige sehr starke Paraden gezeigt“. In dieser kritischen Phase vergaben beim Heimklub Yves Rüegg, Oliver Brunner und Andy Rüegg. Hochklassig, spannend und mit respektablem Tempo und auf überdurchschnittlichem Zweitliga-Niveau ging es in die erste Drittelspause. Allerdings hatte Illnau-Effretikon noch den Ausschluss von Yves Förderreuther zu vermelden (19:19).

Frühes Powerplaytor bringt Leader zurück

Während beim Gast besagtes „Wieserisches-Loblied“ zu hören war, herrschte wohl bei Dürnten schon ein etwas angespannteres kühleres Klima, denn mit einem solchen Auftritt hatte Dürnten sicher nicht gerechnet. Und der Leader kam nun resoluter aus der Wärme. Den Vorteil, gleich mit einem Powerplay starken zu können, liess sich Dürnten nicht entgehen. Michel De Martin vollstreckte in Überzahl. Dem Tabellenführer glückte wohl im richtigen Augenblick der frühe (1:1) Ausgleich. Für Illnau-Effretikon wurde es wieder eines seiner typischen Mitteldrittel, in welchem man gegenüber dem ersten Abschnitt einfach etwas nachliess. „Ja“, so Wieser. „Ich war einfach so begeistert vom Auftritt meiner Spieler. Hatte meine helle Freude. Vielleicht waren meine Spieler darnach schon etwas selbstzufrieden. Wir haben uns in den ersten zwanzig Minuten so viele gute Sachen heraus gearbeitet, hinten defensiv stark gespielt und dem Gegner wenig zugestehen müssen, vorne allerdings im Abschluss wieder gesündigt“. Und für letzteres bekam der Tabellenzweite nun die Quittung.

Dürntens Keeper Illien aufgebaut

Illnau-Effretikon hat nicht nur Lorenzo Illien, sondern den Gegner aufgebaut. Das 1:1 kam zu einem ungünstigen Moment aus der Perspektive des EIE. Das 1:1 hatte für den zweifachen Meister Signalwirkung. Volkart wehrte gegen Yves Rüegg, dann gegen Kunz und Deubelbeiss, ehe dann letzterer auf die Strafbank musste (23.). Munter und abwechslungsreich nun das Spiel. Ständiges Auf- und Ab. Heisse Torszenen hüben und drüben, hartes Zweikampfverhalten in beiden Lagern und zwischenzeitlich wieder Lichtblitze, wie beispielsweise Förderreuther, zuletzt in Chiasso Doppeltorschütze und „Man of the Game“, diesmal, wie in der 25. Minute vor Illien ohne Torerfolg. Grösser, in einer 2:1 Spielersituation mit schnellem Break über die rechte Seite (Sommer links) versuchtes es selbst mit einem Backhander, ehe dann der nächste Ausschluss, diesmal für Zaugg folgte (28.). In dieser Überzahlphase, nun Vorteil EIE, blieben Andersen/Förderreuther an Illien hängen. Und nur mit einem Foulspiel konnte anschliessend Thomas Korsch am erfolgreichen Torschuss durch Loris Voneschen gehindert werden. Vergeblich die Forderung nach einem Strafstoss (32.). Wieder Powerplay. Wieder EIE-Chancen fast im Sekundentakt: Vögeli/Grösser/Bolli – und ein immer stärker aufspielender Illien.

Meisterlicher Killerinstinkt

Dürnten bewies Killerinstinkt. Plötzlich tauchte Mario Senn vor Volkart auf. 2:1. Der Leader war endgültig erwacht – führte nun erstmals in diesem Derby (33:50). Der EIE war eiskalt erwischt worden. „Wir haben die vielen Möglichkeiten nicht genutzt und kriegten das 1:1 in Unterzahl. Kann passieren. Doch meiner Einschätzung nach haben wir im zweiten Durchgang etwas nachgelassen“. Wieser ordnet dies auch dem Umstand zu, dass „meine Mannschaft eben noch etwas jung ist. Da fehlte uns noch etwas die Cleverness, die Routine, welche beispielsweise Dürntens Verteidiger haben. Die verstanden es teils ausgezeichnet, die Scheibe zu halten. Wir schossen die Scheibe in die Rundungen, wo man als Stürmer damit nicht viel anfangen kann“. Das 1:2 habe ihn dann geärgert. „Noch mehr aber das 1:3. Es kann doch nicht sein, dass einer von ganz hinten fast unbedrängt ganz nach vorne laufen kann“. Und so passierte die ganze Sache, die den EIE-Headcoach am Ende noch etwas aufwühlte.

Brasser mit Pfostenschuss

Zuvor hämmerte allerdings Yves Brasser die Scheibe von der blauen Linie aus mit einem Riesenhammer an den rechten Torpfosten (35:26). Dann kam es zur ersten richtigen Rauferei im Derby. Senn/Loris Voneschen und Nicola Gretler und Förderreuther mussten raus. Und dann spazierte eben Diego Ardizzone über die rechte Seite von ganz hinten aus los. Der Dürntner kam bis vor Volkart und versuchte den Torabschluss. Ardizzone hämmerte aber die Scheibe rechts am Gehäuse vorbei in die Bande. Von dort prallte die Scheibe zurück, halbrechts vor das Tor, wo sie Adizzone nochmals übernehmen und per Billart-Abpraller verwandeln konnte. Drittes Tor des Tabellenführers im zweiten Abschnitt. Die Partie war gekippt – Dürnten führte nach dem 0:1 Rückstand nun plötzlich 3:1.

Wieder aufgestanden

„Wir sind aber wie man uns kennt, zusammen wieder aufgestanden“, lobte Dieter Wieser. Im Schlussdrittel haben wir wieder gut gespielt“, so die Ansicht des EIE-Trainers. Nun. Das letzte Drittel ging wieder an den EIE. Dank des zweiten Treffers, erzielt wieder durch EIE-Captain Thomas Korsch auf Vorlage von Michael Sommer und wieder in Überzahl (Ausschluss Oliver Brunner). Illnau-Effretikon gab den Glauben an einen möglichen Punktegewinn über die Verlängerung nie auf. Am Ende rannte den Gästen die Zeit (und der Gegner) davon. Wie beschäftig mit die Spieler mit der Partie waren, zeigte der Einsatz von Brasser. Ihm, der zuvor den Pfostenschuss zu beklagen hatte, brach bei einem Schussversuch die Stockschaufel ab. Der EIE-Verteidiger spielte mit gebrochenem Stock weiter und kassierte einen Ausschluss wegen unkorrekter Ausrüstung. Illnau-Effretikon überstand das gegnerische Powerplay und konnte die Partie selbst noch in Überzahl abschliessen. Torschütze Ardizzone musste raus. Dürnten nahm sein Time-out und bei Illnau-Effretikon war zehn Sekunden zuvor bereits Volkart vom Feld gespurtet. Mit zwei Spielern mehr warf der EIE nochmals alles in die Offensive. Vergeblich. Schlusspfiff. Schlussverdikt: 3:2.  „Wir haben heute die Schlacht verloren – aber an Erfahrung gewonnen“, so Dieter Wieser. „Wir haben heute gesehen, dass wir gegen eine solche routinierte Spitzenmannschaft durchaus bestehen können, auch mit unserem aktuellen Kader. Mehr Spieler haben wir nicht. So wie heute, müssen wir uns nun langsam auf die bald beginnende Playoffrunde einstellen“. Wieser fand es am Schluss schade, dass „es am Ende nicht ganz reichte. Meiner Ansicht nach hätten wir heute einen Punkt mehr als verdient“.

Respekt vor Dürnten

Wieser hatte unmittelbar nach Spielende „Respekt vor Dürnten. Die sind einfach homogen. Da sieht man nicht viele Schwächen. Auch wenn wir heute verloren haben, kann man auch mal mit einer Niederlage zufrieden sein. Wir haben ein sehr gutes Spiel gezeigt“.

 

Eishockey: Meisterschaft 2. Liga, Gruppe 1: Dürnten Vikings – Illnau-Effretikon 3:2 (0:1, 3:0, 0:1).- Eissporthalle Bäretswil.- 310 Zuschauer.- SR: Matteo Bianchi/Aris Scheggia.- Tore: 4. Korsch (Cristelotti, Ausschluss Fankhauser) 0:1. 21. De Martin (Ausschluss Förderreuther) 1:1. 34. Senn (De Martin) 2:1. 38. Ardizzone (Ausschluss Mischa Rüegg/Fäh) 3:1. 49. Korsch (Sommer, Ausschluss Senn) 3:2.- Dürnten: Illien (Ryffel); Brunner, Lüthi; Tobler, Tschanz; Ardizzone; Kunz, Ammann, Fankhauser; Senn, Zaugg, Mischa Rüegg; Andy Rüegg, De Martin, Loris Voneschen; Deubelbeiss, Moreno Voneschen, Brunner; Yves Rüegg.- Illnau-Effretikon: Volkart (Stücheli); Christoph Weinhart, Brockhage; Mirco Weinhart, Brasser; Giacomelli, Nicola Gretler; Högger, Förderreuther, Fäh; Sommer, Korsch, Cristelotti; Vögeli, Bolli, Grösser; Andersen.- Strafen: 14-mal Zwei-Minuten, Illnau-Effretikon 12-mal Zwei-Minuten.- Bemerkungen: Illnau-Effretikon ohne Diego Muspach, Michael Hild und Ramon Winterberg (alle verletzt), Gabriel Gretler (gesperrt), Lorenz Kuhn und Justin Wieser (ebenfalls verletzt/vorzeitiges Saisonende).- 35:36 Rechter-Pfostenschuss Brasser.- 50:20 Illnau-Effretikon ohne Torhüter Volkart – mit weiterem Feldspieler.-59.39 Time-out Dürnten bei Ausschluss von Diego Ardizzone.-

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