Stüchelis Shutout - und Tor des Jahres

Das Beste hat sich der EHC Illnau-Effretikon (EIE) für das Jahresende aufgespart. Wie Phönix aus der Asche traten die Zürcher Oberländer zum letzten Heimspiel des Jahres 2016 an. Joel Stücheli hütete erstmals in einer Zweitligapartie von Beginn weg das Tor und brillierte im Nachbarderby gegen Bassersdorf gleich mit einem Shutout. Das emotional hoch geladene Prestigeduell endete mit einem einzigen Treffer – 1:0 (0:0, 0:0, 1:0). Diesen erzielten die Platzherren erst nach 55 Minuten und 17 Sekunden. Notabene noch in Unterzahl per Shorthander durch Michael Sommer auf Vorlagen von Michael Grösser und EIE-Captain Thomas Korsch.

Bericht: Heinz Minder, Illnau

Eine Weihnachtsgeschichte erster Güte. Fast getreu dem Motto der zehn kleinen Negerlein schieden in den letzten Partien immer wieder EIE-Spieler verletzt aus. Aus dem Match gegen Zug erwischte es bei Illnau-Effretikon Markus Cristelotti und nun zuletzt gegen Luzern die Gebrüder Gabriel und Nicola Gretler. Womit Dieter Wieser für den Jahresabschluss gegen Bassersdorf „insgesamt acht Teamstützen wegen Verletzungen fehlen. Alle ausgefallen nach umstrittenen Zweikämpfen mit dem Gegner“. Dass keine einzige Verletzung aus einem Training hervor ging, ärgert den EIE-Headcoach am meisten. Not mach erfinderisch. Wieser kennt dasProzedere, muss er doch praktisch von jedem Match zum nächsten sein Kader neu formieren. Mit dem Wegfall der Verteidiger Gretler wurde seine Abwehr gegen Bassersdorf wieder durch geschüttelt. Wieser zog wiederum Miha Grösser in die Verteidigung zurück und reaktivierte den einstigen EIE-Kaderspieler Martin Markus temporär zurück ins Fanionteam.

Erst am Ende – nur ein Treffer

Dass dieses heiss umstrittene Derby so knapp und so spät entschieden würde, damit konnte niemand in der Eishalle Eselriet rechnen. Selten in diesem Jahr hat ein Zweitliga-Hockeyspiel für eine solch tolle und friedliche Kulisse gesorgt. Stimmung war auf den Rängen – teils hoch schlagende Emotionen vor allem im Startdrittel, wo der Punktekampf bereits auf Messers Schneide lag. Je länger das Spiel vor 181 Zuschauern dauerte, je länger fragte man sich: Sind heute die Stürmer schlecht disponiert? Spielen die Verteidiger einfach zu diszipliniert und fehlerfrei, oder agieren die Torhüter einfach überragend? Tore, eigentlich wie das Salz in der Suppe, waren an diesem letzten Meisterschaftsabend im Eselriet absolute Mangelware. Eine weitere Frage tauchte auf. Haben die beiden Mannschaften in ihren bisherigen Spielen das Pulver einfach verschossen? Und je weiter die Zeit vorrückte, die restliche Spieldauer brutal zurück lief, je deutlicher wurde das Verdikt. Dem ersten Treffer würde an diesem Abend wohl eine grosse Bedeutung gleich kommen. 

Start mit vielen Emotionen

Am Ende gab es ein EIE-Happy-End, das kitschiger nicht hätte sein können. Beide Mannschaften lieferten sich einen unerbittlichen Abnützungskampf. Anfangs befürchtete man, das Derby würde eskalieren, denn nach wenigen (23) Sekunden und ehe die erste Minute überhaupt überstanden war, gab es bereits die erste kleine Handgreiflichkeit. Gefightet wurde intensiv, vielleicht auch provokativ. Doch am Schluss konnten die Spieler beider Mannschaften ihre Emotionen unter Kontrolle halten. Das Startdrittel verlief überaus hektisch. Beide Teams agierten unpräzis im Abschluss, jedoch meist diszipliniert und ohne gravierende Fehler in den Abwehren. 

Stücheli – cool und unbeirrt

Einer, der sich vom persönlichen Erfolgsdruck keinesfalls beirren war, war Joel Stücheli. Erstmals in seiner Karriere hütete der 20jährige von Beginn weg den Kasten in einer Zweitliga-Partie. Stücheli spielte überraschend ruhig, liess sich von den Emotionen vor seinem Tor, ausgefochten durch seine Mitspieler und Gegner zu keinem Zeitpunkt der drei Drittel aus der Ruhe bringen. Stücheli agierte aufmerksam, ohne jegliche Angst und Respekt. Auch in brenzligen Situationen behielt er die Ruhe und Übersicht. Das war auch in Phasen, als der EIE in Unterzahl zu spielen hatte, der Fall. Dann, wenn die Gäste mit einem Mann mehr den Torabschluss suchten, aber nicht fanden. Am Ende warf Don Mc Laren noch alles in die Waagschale. 

Gefühlslage optimistisch gut

„Chunt guet hüt“, so die Aussage von Thomas Korsch, vor Spielbeginn. Vor einer Woche glaubte der EIE-Captain noch, das Spiel nach dem Startdrittel wenden zu können. Auch Dieter Wieser bestätigte am Ende, gefühlt zu haben, dass gegen Bassersdorf trotz allem noch ein positiver Abschluss erfolgte. „Vor einer Woche hatte ich vor dem Match gegen Luzern kein gutes Gefühl. Heute, als ich mich von meiner Frau verabschiedete, sagte ich ihr, dass ich sehr positiv und zuversichtlich diesem letzten Punktespiel vor Weihnachten entgegen blicke“. Sein Assistent Urs Wegmann kannte die Sorgenfalten des EIE-Staff und hat bereits am Freitag eine Bestandsaufnahme „der noch vorhandenen und gesunden Spieler“ verfasst. Dort aufgeführt war jedoch Yves Förderreuther bei den Verletzten und folglich samstags auch nicht einsatzfähig. Doch diese Befürchtung hat sich dann bis vor Spielbeginn nicht bestätigt, womit am Ende tatsächlich „nur“ acht EIE-Spieler nicht eingesetzt werden konnten. Acht Spieler – verletzt – alles aus den Spielen heraus. „Das sind ein einhalb Blöcke“ rechnete Dieter Wieser nochmals vor.  

Harte Rivalenkämpfe

Im Startdrittel zeigten beide Teams noch teils unkonzentrierte Überzahlspiele. Claude Caminada(zwei plus Zwei-Minuten, und Michael Sommer, mussten nach der ersten kleinen Keilerei auf die Strafbank. Der EIE war also für zwei Minuten in Überzahl, doch klappte das Powerplay nicht wunschgemäss. Bassersdorf verstand es, die Scheibe aus dem Drittel zu halten und schlug den Puck konsequent über das ganze Feld. Illnau-Effretikon sah sich mehrfach gezwungen, die Formation neu zu erstellen. Wertvolle Zeit verstrich, ebenso die Chance, mit einem Mann mehr ein erstes Tor vorlegen zu können. Später musste Michael Heid vom Feld und wurde kurz darauf das Opfer von Sören Honegger. Vergeblich forderte EIE-Headcoach Wieser „einen Fünfer, denn Heid blutet“ (10.). Eine erste grosse Torchance im Startdrittel hatte Dario Högger. Von rechts kommende prüfte er Thomas Oschwaldmit einem harten Schuss. Der Gästekeeperkonnte die Scheibe noch abwehren, respektive nach links abprallen lassen, wo allerdings kein EIE-Spieler mitgelaufen war um im zweiten Anlauf vielleicht doch noch vollstrecken zu können (18.). Und Sekunden vor der ersten Pause verschaffte sich Nicolas Kuhn mit leicht übertriebenem Einsatz keine Freunde im EIE-Lager, mit einer harten Attacke an EIE-Verteidiger Yves Brasser.

Torlos ins Mitteldrittel

Gleich mit einem Gestocher durch Staiger vor Stücheli wurde das Mitteldrittel wiederum intensiv gestartet. Die Frage blieb vorerst offen im Raum: Wie übersteht der EIE das oft zitierte ‚zweite, schlechte, Mitteldrittel‘. Bei Bassersdorf blieb die Aggressivität im Zweikampfverhalten, allerdings ging die absolute Hektik des Startdrittels nun im zweiten Abschnitt etwas verloren. Luca Theodoridis setzte alles ein was erlaubt und eben aucn nicht war. Da waren in seinen Zweikämpfen schon mal die Ellbogen sehr weit oben und auch der Stock nicht unbedingt immer dort wo er sein sollte. Marc Hollenstein wurde von Joel Stücheli gestoppt (27.) und Illnau-Effretikon lancierte gleich den schnellen Konterangriff – diesmal wieder mit Högger, der abermals fast von identischer Position von der rechten Seite auf kraftvoll auf Oschwald ab- und verzog. Dann musste Högger selbst auf die Strafbank und Andreas Studer erhielt bei den Gästen die exzellente Möglichkeit, Bassersdorf bei Spielhälfte in Führung zu bringen, dies elf Sekunden vor Ablauf der Strafe des EIE-Stürmers. Das Toreschiessen wurde für die EIE-Spieler scheinbar wieder zum Alptraum. Lange hatten sie zuletzt gegen Luzern warten müssen. Erst nach dem 0:5 Rückstand glückte Michael Bolli ganz am Schluss noch ein Doppelpack. Diesmal zeichnete sich ab, dass auch im zweiten Abschnitt keine Treffer fallen würde. „Wir haben jetzt wenigstens unser verkorktes Mitteldrittel schadlos überstanden“, so die Aussage später von Dieter Wieser, als er und seine Spieler zur zweiten Pause schritten. 0:0, 0:0 – fast wie im Fussball, so auch die treffende Einschätzung von EIE-Betreuer Jürg Fehr. „Mal sehen, wie lange bei uns die Kraft heute noch reicht“, meinte Wieser, als er die Spieler zum Schlussdrittel wieder aus der Garderobe liess. 

Spannung bis zum bitteren Ende

Und das Schlussdrittel musste Illnau-Effretikon noch während 66 Sekunden in Unterzahl in Angriff nehmen. Fabian Brockhage musste auf der Strafbank Platz nehmen. Auch diese Phase überstand sein Team schadlos. Nachdem Basserdorf mit Staiger an Stücheli und im zweiten Anlauf mit Kuhn gescheitert war, vergaben auf Seiten der Platzherren auch Förderreuther (44.), dann Sommer/Högger und Korsch/Sommer vor Oschwald. Die Sekunden liefen nun konstant zurück – dem ersten Tor in dieser Partie wurde mit jeder noch verbleibenden Sekunde eine noch grössere Bedeutung und Wichtigkeit zugeschrieben. Was – wer und wann? Von der grossen Spannung liess sich Joel Stücheliabsolut nicht nervös machen und behielt seine Ruhe. Erstaunlich für die grosse Bedeutung bei diesem Spielstand. Und dann wurde die Schlussphase eingeläutet. 

Noch ein EIE-Ausschluss

Illnau-Effretikon kassierte eine weite Strafe. Fabian Brockhage musste (nochmals) raus, kassierte seinen zweiten Ausschluss in diesem Derby. Vorteil Bassersdorf? Zu spielen waren noch fünf Minuten und fünf Sekunden. Das eine Tor konnte nun entscheiden. Die Zürcher Unterländer stürmten. Warfen nochmals alles in die Offensive und versuchten vor Stücheli das Powerplay auf zu ziehen. Unter den Blicken seines Vaters Jürg Stücheli hielt dessen Sohn im EIE-Kasten dem Druck stand. Der Fussballtrainer des Drittligist FC Embrach fieberte nun wohl auf der Estrade mit seinem Sprössling mit. Wer Jürg Stücheli kennt, der weiss, wie angefressen er vom Sport ist. Stücheli Senior will auf einem Sportplatz immer gewinnen. Am liebsten hätte er es auch gesehen, sein Sohn wäre auch Fussballer geworden. Nun aber sah Embrachs-Trainer, dass Joel seinen sportlichen Weg im Hockey machen wird. 

Schneller Konter in Unterzahl

Der Countdown lief. Die Sekunden liefen auf der Matchuhr zurück. Für Illnau-Effretikon konnte die Zeit nicht schnell genug vergehen. Bassersdorf mühte sich im Drittel vor Joel Stücheli. Dieser liess überhaupt nichts anbrennen. Keine Hektik. Kein Fehler. Tadellos. Dann – ein langer Pass von Michael „Miha“ Grösser auf Thomas Korsch. Dieser stürmt los, links neben das Tor von Thomas Oschwald. Illnau-Effretikon ist noch in Unterzahl. Lanciert das schnelle Break. Korsch schaut – Rückpass vor das Tor, wo Michael Sommer angestürmt kommt – und per Shorthander vollstreckt. Höchststrafe. In Unterzahl und vier Minuten und 43 Sekunden vor Spielende zappelt der Puck endlich im Netz. Das hat lange gedauert. Das brauchte Nerven. Die hat der EIE behalten. 

Der ex-Profi Don Mc Laren, Headcoach von Bassersdorf reagiert nochmals. Time-out. Brockhage sitzt noch immer auf der Strafbank. Muss noch 98 Sekunden draussen bleiben. 45 Sekunden vor Schluss stürmt Thomas Oschwaldaus dem Gästetor und macht einem sechsten Feldspieler Platz. Vergeblich. Der EIE gewinnt – mit der knapp möglichsten Option – einem 1:0. Rarität im Eishockey. Ein Shuthout für den EIE-Keeper bei seinem Debüt von Spielbeginn. Ein Shorthander noch dazu. Ein verfrühtes Weihnachtsmärchen.

Was für ein geiler Abschluss

Dieter Wieser strahlt zum Schluss. Die acht verletzten Spieler stehen Spalier. Die klatschen die EIE-Helden beim Gang in die Garderobe ab. EIE-Präsident Christoph Müller beglückwünscht Keeper Joel Stücheli. Andres Förderreuther ist stolz. Solz auf seinen Sohn Yves, der wieder hervorragend gekämpft hat und keine 24 Stunden später nach Australien fliegen wird. Kurzurlaub in Brisbane und Melbourne. Zum Wiederbeginn anfangs Januar auswärts in Küsnacht will Födi von Down Under zurück sein. „Ich bin unheimlich stolz auf das, was wir heute gezeigt haben“, so Dieter Wieser. „Es ist total geil – so zu gewinnen. Das war eine hervorragende Teamleistung“. Dass „unser Küken in seinem ersten Match im Tor gleich einen Shutout hinlegt – ist schon eine Erfolgsstory“. Der EIE-Headcoach freute sich aber hauptsächlich darüber, dass „wir heute allen momentanen Widerwärtigkeiten getrotzt haben. Wenn wir gut drauf sind, sind wir fähig keinen Gegentreffer einstecken zu müssen. Wenn es nicht so gut läuft, kriegen wir hinten die Bude voll“. Grundsätzlich sei zu bemerken, so Dieter Wieser weiter, dass „wir uns zu nichts hinreissen liessen, diszipliniert gewesen sind und stark reagierten, auch wenn wir während des Spieles mal unten durch mussten“. Dass seine Mannschaft mit enormem Teamgeist das Derby noch in Unterzahl entscheiden konnte, war für ihn typisch. „Jeder hat sich voll und ganz für das Team geopfert. Die Spieler haben sich in die gegnerischen Schüsse geworfen und besonders stolz bin ich, dass die verletzten Spieler am Ende Spalier für ihre kämpfenden Kollegen standen“. Wieser hofft, dass „vielleicht der Eine oder Andere über die Weihnachtspause nun den Weg zurück ins Team findet“. Der EIE-Trainer hatte aber auch Wort zum knapp geschlagenen Gegner. „Ich muss gestehen, dass Bassersdorf für mich eine sehr gute Mannschaft ist. Schade dass die Unterländer momentan so tief in der Tabelle klassiert sind. Für mich gehört diese Mannschaft unter die ersten Vier. Ich bin natürlich unheimlich stolz, dass wir diesen Gegner heute nun auch noch geschlagen haben“.

 

Illnau-Effretikon – Bassersdorf 1:0 (0:0, 0:0, 1:0).- Eishalle Eselriet (Effretikon).- 181Zuschauer.- SR: Philipp Buff/Andres Gugel.- Tor: 56. Sommer (Korsch/Grösser, eigener Ausschluss Brockhage) 1:0.- Illnau-Effretikon: Stücheli(Volkart): Christoph Weinhard, Brockhage; Grösser, Brasser; Mirco Weinhart, Heid; Giacomelli; Sommer, Korsch, Högger; Vögeli, Bolli, Markus; Andersen, Förderreuther, Begert.- Bassersdorf: Thomas Oschwald (Geieer); Roman Farner, Mario Oschwald; Honegger, Hollenstein; Studer, Staiger; Loser; Eppler, Theodoridis, Tobias Farner; Stessel, Caminada, Schärer; Stamm, Kuhn, Figi; Schmid, Wilhelm.- Strafen: Illnau-Effretikon 9-Mal Zwei-Minuten; Bassersdorf 5-Mal Zwei-Minuten, plus 1-Mal Zehn-Minuten (Honegger, Check von hinten).- Bemerkungen: Illnau-Effretikon ohne, Fäh, Muspach, Gabriel und Nicola Gretler und Winterberg (alle verletzt), Kuhn und Wieser (ebenfalls verletzt/beide vorzeitiges Saisonende), Schneider (Militär).- Ersteinsatz von EIE-Torhüter Joel Stöcheli ab Spielbeginn – mit Shutout.- (Teil)-Comeback von Martin Markus. 59:15 Bassersdorf ohne Torhüter Thomas Oschwald, dafür mit weiterem (sechsten) Feldspieler.  

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